Geschichten zum Nachdenken

Der vergessliche Zauberer

Ein kleines Mädchen hilft einem mächtigen, aber vergesslichen Zauberer, seine Zaubersprüche zu behalten.

Der vergessliche Zauberer und seine kleine Helferin

In dem kleinen Dorf Funkelstein, umgeben von sanften Hügeln und rauschenden Bächen, lebte der berühmte Zauberer Kunibert. Mit seinem langen silbernen Bart, der funkelnden Sternenrobe und dem hohen spitzen Hut war er eine beeindruckende Erscheinung. Wenn Kunibert durch die Straßen spazierte, flüsterten die Dorfbewohner ehrfürchtig: „Da geht der mächtigste Magier im ganzen Land!“ Und tatsächlich war Kunibert unglaublich begabt. Er konnte Blumen in Schmetterlinge verwandeln, Wasser in Limonade und sogar graue Regenwolken in flauschige Zuckerwattewolken.

Doch Kunibert hatte ein großes Problem, das kaum jemand kannte: Er vergaß ständig seine Zaubersprüche. Mitten in einem Zauber konnte es passieren, dass sein Gedächtnis einfach verschwand wie ein Kaninchen in einem Zauberhut. „War es nun ‚Bibidi-Babidi-Bu‘ oder ‚Babidi-Bibidi-Bum‘?“, murmelte er dann verwirrt und kratzte sich am Kopf.

In seinem Turm am Rande des Dorfes hatte Kunibert überall kleine Notizzettel aufgehängt. „Wetterzauber: Blitz und Donnerknall, vertreibe Regen überall!“ oder „Heiltrank für Erkältung: Drei Tropfen und ein Lächeln dazu!“ Trotzdem passierte es immer wieder, dass er die wichtigsten Zauber im entscheidenden Moment vergaß.

Die kleine Lena, ein achtjähriges Mädchen mit wilden roten Locken und Sommersprossen auf der Nase, bewunderte Kunibert über alles. Oft stand sie versteckt hinter dem Zaun seines Gartens und beobachtete staunend, wie er übte. Manchmal sah sie auch, wie er frustriert seinen Hut auf den Boden warf, wenn ihm wieder ein Zauberspruch entfallen war. „Vergiss nicht, Kunibert ist trotzdem der Größte!“, flüsterte sie dann zu sich selbst und wünschte, sie könnte ihm irgendwie helfen. Was niemand ahnte: Bald würde Lenas Chance kommen, ihrem Helden zu helfen – und zwar in der größten Not, die das Dorf je erlebt hatte.

Der Berg-Drache kehrt zurück

Es begann an einem sonnigen Mittwochmorgen. Lena saß gerade beim Frühstück, als ein lautes Brüllen die Fensterscheiben erzittern ließ. „Was war das?“, fragte sie erschrocken. Ihre Mutter blickte beunruhigt zum Fenster hinaus. „Oh nein“, flüsterte sie, „der Berg-Drache ist zurück!“

Tatsächlich kreiste über dem Dorf eine riesige Gestalt. Seine Schuppen glänzten rot wie Feuer in der Morgensonne, und wenn er schnaubte, stiegen kleine Rauchwolken aus seinen Nüstern. Die Dorfbewohner rannten aufgeregt durcheinander. „Der Drache ist zurück!“ „Er wird unsere Häuser verbrennen!“ „Rettet die Kühe und Hühner!“

Mitten im Chaos stand der Bürgermeister mit einem Megafon: „Bitte bewahrt Ruhe! Wir werden sofort Zauberer Kunibert holen. Er wird uns beschützen!“ Lena sah, wie zwei Männer zum Turm des Zauberers eilten. Kurz darauf kam Kunibert mit flatternder Robe angerannt, sein Zauberbuch unter den Arm geklemmt.

„Keinen Grund zur Panik!“, rief er mit einer Stimme, die viel selbstsicherer klang, als er sich fühlte. „Ich werde den Drachen mit meinem Drachenbann-Zauber vertreiben!“ Die Dorfbewohner jubelten erleichtert.

Der Drache flog inzwischen tiefe Kreise und kam immer näher. Kunibert blätterte hektisch in seinem Zauberbuch. „Also, der Zauber war… hmm… war es Seite 75 oder 57?“ Er murmelte vor sich hin, während der Schweiß auf seiner Stirn stand.

Lena beobachtete ihn vom Dorfplatz aus. Mit pochendem Herzen sah sie, wie Kuniberts Hände zu zittern begannen. „Ich… ich kann mich nicht erinnern“, flüsterte er verzweifelt. „War es ‚Draco verschwindibus‘ oder ‚Drachen bannibus‘?“

Der Drache war nun so nah, dass man seine gelben Augen sehen konnte. Er öffnete sein Maul, und ein bedrohliches orangerotes Glühen war in seiner Kehle zu sehen. „Er wird gleich Feuer speien!“, schrie jemand. Die Menschen rannten in alle Richtungen. Nur Kunibert stand wie erstarrt da, das aufgeschlagene Buch in den Händen, unfähig, sich an den richtigen Zauberspruch zu erinnern. Und in diesem Moment fasste Lena einen mutigen Entschluss.

Lenas kluger Einfall

Mit klopfendem Herzen rannte Lena durch die panische Menge direkt auf Kunibert zu. „Herr Zauberer!“, rief sie, als sie vor ihm stand. „Ich glaube, ich kann Ihnen helfen!“ Kunibert blickte verwirrt auf das kleine Mädchen hinunter. „Du? Aber wie?“

„Ich sehe immer, wie Sie sich Notizen machen“, erklärte Lena hastig. „Aber Worte vergisst man leicht. Meine Lehrerin sagt, Bilder und Reime helfen beim Erinnern viel besser!“

Der Drache brüllte erneut, diesmal so laut, dass die Erde zu beben schien. „Wir haben keine Zeit für Unterricht, Kind!“, rief Kunibert verzweifelt. Aber Lena ließ nicht locker. „Zeigen Sie mir den Zauberspruch im Buch!“

Mit zitternden Fingern deutete Kunibert auf eine Seite mit komplizierten magischen Formeln. Lena überflog sie schnell. „Das ist es! Wir machen einen Reim daraus und malen ein Bild dazu!“ Mit einem Stift, den sie aus ihrer Tasche zog, kritzelte sie schnell neben die Formel: Ein Drache, der niest und dabei Sterne statt Feuer spuckt. Darunter schrieb sie: „Drache wild mit Feueratem, wirst nun sanft und musst tief durchatmen!“

Kunibert starrte auf das Bild und den Reim. Plötzlich hellte sich sein Gesicht auf. „Natürlich! ‚Draconis Wildis Feuerspei, Sanftmut komme schnell herbei!'“, rezitierte er, während er sich das Bild mit dem niesenden Drachen vorstellte.

Der Drache war jetzt direkt über ihnen, bereit, Feuer zu speien. Mit neugewonnener Zuversicht hob Kunibert seinen Zauberstab, visualisierte das Bild von Lena und rief laut und deutlich den Zauberspruch. Ein blauer Lichtstrahl schoss aus seinem Stab direkt auf den Drachen zu.

Für einen Moment schien nichts zu passieren. Dann, wie in Zeitlupe, veränderte sich der Gesichtsausdruck des Drachen. Seine wütend zusammengezogenen Augen wurden rund und sanft. Das orangerote Glühen in seiner Kehle erlosch. Und anstatt Feuer zu speien, gab er ein überraschtes „Hatschi!“ von sich, wobei tatsächlich kleine funkelnde Sterne aus seinen Nüstern kamen.

Die Dorfbewohner, die in Deckung gegangen waren, lugten vorsichtig hervor. Der Drache schwebte nun friedlich über dem Dorfplatz, sah verwirrt aus und rieb sich mit einer Klaue die Nase. „Es hat funktioniert!“, jubelte Kunibert und hüpfte vor Freude wie ein kleines Kind auf und ab.

Eine besondere Freundschaft beginnt

Die Dorfbewohner strömten auf den Platz zurück und brachen in spontanen Jubel aus. „Kunibert, der Drachenbezwinger!“, riefen sie. Der Zauberer lächelte, legte aber dann seine Hand auf Lenas Schulter. „Ohne die Hilfe dieser jungen Dame wäre es mir nicht gelungen“, verkündete er laut. „Sie hat etwas entdeckt, was ich all die Jahre übersehen habe.“

Die Menschen schauten erstaunt auf das kleine Mädchen mit den roten Locken. Lena wurde rot vor Verlegenheit, aber auch vor Stolz. Der nun friedliche Drache landete sanft am Rande des Dorfplatzes. Kunibert, der jetzt voller Selbstvertrauen war, ging vorsichtig auf ihn zu.

Mit Lenas Hilfe formulierte er einen weiteren Reim und malte ein kleines Bild dazu: Ein Drache, der gemütlich auf einem Berggipfel liegt und Wolken beobachtet. „Berg-Drache stark und frei, finde Frieden, bleib dabei!“, flüsterte er und führte einen sanften Zauber aus.

Der Drache schnupperte an Kuniberts ausgestreckter Hand und schnurrte dann wie eine übergroße Katze. „Er war nicht böse“, erklärte Kunibert der staunenden Menge. „Er hatte sich nur verirrt und war verängstigt. Jetzt weiß er wieder, wo sein Zuhause ist.“

Nach diesem aufregenden Tag veränderte sich vieles in Funkelstein. Kunibert lud Lena ein, regelmäßig zu ihm in den Turm zu kommen. Gemeinsam gingen sie alle seine Zaubersprüche durch und entwickelten ein System aus Bildern und Reimen. Bald war Kuniberts Zauberbuch voller bunter Zeichnungen und lustiger Verse. Seine Magie wurde stärker und zuverlässiger als je zuvor.

Lena entdeckte, dass auch sie eine besondere Begabung hatte: Sie konnte komplizierte Dinge einfach und einprägsam darstellen. In der Schule half sie nun anderen Kindern beim Lernen, indem sie für schwierige Themen Bilder und Reime erfand.

In seinem Turm hängte Kunibert ein großes Bild auf: Es zeigte ihn und Lena, wie sie gemeinsam über einem Zauberbuch brüteten. Darunter stand in goldenen Buchstaben: „Wahre Magie entsteht, wenn wir unsere Stärken teilen und unsere Schwächen nicht verstecken.“

Der Drache besuchte das Dorf noch oft. Aber nun brachte er keine Angst mehr, sondern half mit seinem sanften Feueratem, den großen Dorfbackofen zu heizen. Die köstlichsten Brote und Kuchen weit und breit wurden dort gebacken. Und jedesmal, wenn Kunibert und Lena den Drachen sahen, erinnerten sie sich daran, dass manchmal die überraschendsten Freundschaften entstehen, wenn man den Mut hat, um Hilfe zu bitten und Hilfe anzubieten.

Was wir von Kunibert und Lena lernen können

Die Geschichte vom vergesslichen Zauberer Kunibert und der mutigen Lena zeigt uns, dass jeder von uns besondere Talente hat. Manchmal sind wir gut in Dingen, die andere schwierig finden, und manchmal brauchen wir Hilfe bei Aufgaben, die anderen leichtfallen.

Kunibert war ein mächtiger Zauberer, aber er brauchte Lenas kreative Ideen, um seine Zaubersprüche zu behalten. Und Lena, die schon immer eine gute Vorstellungskraft hatte, fand durch Kunibert heraus, wie sie anderen mit ihren besonderen Fähigkeiten helfen konnte.

Die zwei haben uns gezeigt, dass es mutig ist, um Hilfe zu bitten und dass großartige Dinge passieren können, wenn wir zusammenarbeiten. Und denkt daran: Selbst ein feuerspeiender Drache kann zu einem Freund werden, wenn wir ihm mit Verständnis und Freundlichkeit begegnen!

Also traut euch, um Hilfe zu bitten, wenn ihr sie braucht, und helft anderen mit euren besonderen Talenten. Denn genau wie Kunibert und Lena könnt auch ihr zusammen wahre Magie bewirken!

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